Sternenkinder

Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust,
wird es Dir sein, als lachten alle Sterne,
weil ich auf einem von ihnen wohne,
weil ich auf einem von ihnen lache.
Du allein wirst Sterne haben, die lachen können.
Antoine de Saint-Exupery, Der kleine Prinz
Der Verlust eines geliebten Menschen ist immer ein schwerer Schicksalsschlag. Die Sprache kann mit dem Wort Witwer oder Witwer den Verlust des Ehepartners bezeichnen. Sie kann auch den Status des Kindes bezeichnen, dass seinen Vater oder seine Mutter verloren hat: das Waisenkind. Lauter grausame Trennungen, die aber in der Natur der Dinge liegen. Doch was für ein Wort haben wir für die Kinder, die viel zu früh sterben ?
Sternenkinder
Sternenkinder sind Kinder, die während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt sterben. Ein schwerer Schicksalsschlag, ein zutiefst erschütterndes Ereignis, das die Welt ins Wanken bringt. Kaum begann ihr Leben, ist es schon wieder zu Ende.
Mit dem kleinen Menschen zusammen stirbt seine ganze Zukunft. Viele Wünsche, Träume und Hoffnungen sind mit einem Mal nichtig. Von einer Stunde auf die andere ist alles anders. Diese Babys, die das Leben nicht kennenlernen durften, werden Sternenkinder genannt: Sie haben den Himmel gesehen, bevor sie das Licht der Welt erblickt haben. Ihr Besuch auf der Erde war kurz.
Sternenkinder werden sie genannt weil sie zu zart für diese Welt sind und als als Stern voran gehen. Sie fliegen mit dem Wind, strahlen mit der Sonne, laufen barfuß über die Wolken und toben im Sternenstaub.
Manchmal werden sie auch Schmetterlingskinder genannt
weil ihre Berührung so kurz und so sanft die Berührung von Schmetterlingsflügeln war. Hauchzart wie ein Schmetterlingskuss, der einer Berührung von Wimpern auf einer Wange ähnelt und doch die Wucht eines Orkanes hat, der das Leben zerstört.

Über Sternenkinder wird wenig gesprochen. Nicht-Betroffene sind unsicher, ihnen fehlen die Worte. Sie wissen nicht, wie sie mit dem, was eigentlich nicht sein darf, umgehen sollen, welche Worte und welchen Trost sie den Eltern aussprechen sollen. Meist gehen Bekannte, Freunde und auch die Familie schnell wieder zum Alltag über. Doch die Eltern von Sternenkindern fühlen sich auch ohne Kind als Eltern, ihre Trauer dauert lange. Für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar. Die tiefe Bindung, die die Eltern zu ihrem ungeborenen Baby haben, können sie nicht nachvollziehen, ihnen fehlt die Bindung zu dem viel zu kurzen Leben. Da über unsere Sternenkinder noch viel zu wenig gesprochen wird, da kaum jemand außer den Betroffene diese Kinder wahrnimmt, möchte ich dieses Thema aufgreifen.
Sternenkinder: Wie kann man helfen?
Fragt man Sterneneltern, was sie sich von ihrer Umgebung wünschen, dann sind es ganz einfache Dinge: Zuhören. In den Arm nehmen. Und über das Baby sprechen. Wieder und immer wieder.Auch Fragen sind erlaubt. Wie sollte euer Kind heißen? War es ein Junge oder Mädchen? Dürfen wir eine Kerze für euer Kind anzünden? Ansonsten ist Dasein das wichtigste. Wenn die Eltern das Gefühl haben, dass Freunde für sie da sind, sich kümmern, vielleicht mal einen Topf Suppe vorbei bringen, dann hilft das in der ersten Trauer.
In meiner Arbeit mit Betroffenen nach Fehl- oder Totgeburten ist deutlich geworden, dass die Stärke der Trauer nicht unbedingt von der Schwangerschaftswoche abhängt, sondern vielmehr von den Gedanken und Wünschen, die mit diesem Kind verbunden sind.Meist erfahren die werdenden Mütter bei einer Routine-Untersuchung vor der zwölften Schwangerschaftswoche dass das Herz ihres Babys nicht mehr schlägt. Wenige Tage später, muss ein gynäkologischer Eingriff stattfinden, in dem das Kind abgesaugt wird. ein Ultraschallbild und die Erinnerung… mehr ist von den Sternenkindern nicht greifbar.
Die Diagnose

Der Zeitpunkt der Diagnose wird häufig als Schock erlebt. Dies kann sich auch bei drohender Fehl- oder Totgeburt ankündigen. Viele Frauen und Männer erleben diese Zeit wie in einem “Nebel” oder einer “Betäubung” , so als würde ein Film ablaufen, der mit ihnen selbst nichts zu tun hat.Doch dann stellen sich Fragen ein. Was habe ich falsch gemacht?
Hab ich irgendwelche Anzeichen übersehen?
Natürlich nicht. Aber verzweifelt wird nach einer Erklärung gesucht. In vielen Fällen kann jedoch keine Ursache für eine Frühgeburt gefunden werden und es gibt keine Antwort auf diese Fragen.
Wie kann man mit dieser Situation umgehen?
Eine Möglichkeit ist es wegzuschauen und zu verdrängen. Eine Verdrängung äußert sich später in geistiger und körperlicher Erschöpfung. Es kann zu einem verzögerten Trauerprozess führen, dessen Bewältigung später umso schwieriger ist.
Die zweite Möglichkeit ist das bewusste annehmen dessen, was geschehen ist. Ich ermutige meist durch meine erste Reaktion dazu, sich dem Schmerz dieser Situation zu stellen. Nach meiner Erfahrung kann dies helfen, die Trauer zu lindern und langfristig den Umgang mit dem Verlust zu erleichtern. Auch ist es gut, mit eventuell vorhandenen Geschwistern über dieses Erlebnis zu sprechen und für Fragen der Kinder offen zu sein – natürlich eingestellt auf Alter und Verständnisfähigkeit.
Ich biete den Betroffenen kurz nach der Diagnose ein kleines Sternenbärchen an. So werden kleine Seelentröster für Sterneneltern genannt. Damit haben sie etwas Greifbares in der Hand, das sie mit ihrem Sternenkind verbindet. Sie sind genäht, gehäkelt oder gestrickt und tragen einen Stern auf der Brust. Der Stern ist ein Symbol für das Herz, das dort hätte schlagen sollen.
Ehrenamtliche Helferinnen stellen sie in liebevoller Handarbeit kostenlos für Sterneneltern her. Sie sind klein genug, dass sie leicht in der Hosen- Jacken oder Handtasche überall mit hingenommen werden können.

Es ist ein liebevolles Andenken an das Sternenkind mit dem auch Abschiedsrituale gestaltet werden können. Auch diese Rituale finde ich sehr hilfreich und möchte alle Betroffenen dazu ermutigen, sich Erinnerungen zu schaffen. Die Sternenbärchen sind erhältlich in gynäkologischen Kliniken, bei Hebammen, aber auch in Selbsthilfegruppen oder unter: www.sternenbaerchen.de
Weitere Rituale können sein:
- Ein Bäumchen zur Erinnerung an Ihr Baby zu pflanzen .
- einen Ballon aufsteigen zu lassen
- ein Schiffchen schwimmen zu lassen
- kleine Trauerschleifchen
- Erinnerungsbänder
- ein Brief, der mit dem Rauch in den Himmel aufsteigt oder dem Wasser mitgegeben wird
Trauerprozess und Unterstützung im nahen Umfeld
Familienangehörige sollten dem betroffenen Paar Zeit lassen für ihre Trauer. Als wenig hilfreich werden Sätze erlebt wie
- “Ihr seid noch jung und könnt andere Kinder haben.”(Mag sein, aber dieses Kind fehlt immer!)
- “Wer weiß, wozu es gut gewesen ist.” (Mein Baby ist gestorben! Wozu soll das gut sein?)
- “Sei froh, das es so früh passiert ist.”
- “Glücklicherweise hast Du es ja kaum gekannt.”
- “Du mußt versuchen, es zu vergessen.
- “Zum Glück hast Du ja noch andere Kinder.” (Welche dieses Kind aber nicht ersetzen können!)
- “Ich weiß, wie Du Dich fühlst.” (Außer, man hat die gleiche schlimme Erfahrung.)
Viele Betroffene erleben es auch als entlastend, mit anderen Eltern zu sprechen, die Ähnliches erlebt haben. So etwas ist beispielsweise möglich durch Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe. Bei länger dauernden depressiven Reaktionen kann eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll werden.
Hilfreich ist:
- Miteinander über den Verlust zu sprechen
- Wenn Worte fehlen, ehrlich zu sein und zuzugeben: “Ich weiß nicht, was ich sagen soll“
- Manchmal sagt ein Händedruck oder eine Umarmung mehr, als tausend Worte…
- Hilfe anbieten wollen, anstatt zu warten, das die Betroffenen anrufen
Jeder braucht seine Zeit, um wieder zur Normalität zu finden. Das gemeinsame Sprechen des Paares über das Geschehene oder auch das Reden mit anderen kann eine Hilfe für den Umgang mit dem Verlust sein. Ansonsten ist Dasein das wichtigste. Wenn die Eltern das Gefühl haben, dass Freunde für sie da sind, sich kümmern, vielleicht mal einen Topf Suppe vorbei bringen, dann hilft das in der ersten Trauer.
Bezüglich des Welt-Frühgeborenentages am 17. November fand ein Gespräch mit Nadine Dier statt, der Geschäftsführerin des Vereins Elisa. Er möchte Aufmerksamkeit für dieses Thema wecken … Das war Anlass für diesen Bogbeitrag. Informieren oder unterstützen könnt ihr diese wertvolle Arbeit unter: www.elisa-familiennachsorge.de

Der Verein Elisa zur Familie Nachsorge bietet betroffenen Familien in der Bewältigung von schwierigen Situationen beispielsweise nach einer Früh-, oder Risikogeburt, bei Diagnose einer schweren Erkrankung oder Behinderung sowie nach Unfällen und Krebserkrankungen Hilfe an. Ein professionelles Team von Mitarbeitern steht Familien bei, ist da und bietet Hilfe an.