Wenn das Gute keine Angst mehr hat, hat das Böse keine Chance.

Ein paar Gedanken zum gesellschaftlichen Miteinander
Die aktuellen Themen und Entwicklungen bezüglich der Kampagne von Künstlern # allesdichtmachen möchte ich zum Anlass nehmen für diesen Artikel. Bestürzt und voller Bangen sehe ich die momentane Spaltung der Gesellschaft anlässlich der Pandemie und mit Sorge verfolge ich die Entwicklung und die Reaktionen der Menschen. Ratlos frage ich mich, was da gerade mit der Gesellschaft passiert und was das mit uns allen macht. Und ich stelle mir wie immer die Frage nach dem warum. Bei der Suche nach einer Antwort betrachte ich dies aus der Perspektive eines Erzählers …
Wo liegt der Anfang ?
Manchmal gerät die Welt aus den Fugen. Wir mögen es, wenn die wieder in Ordnung gebracht wird. Das Märchen macht das Wesen des Lebens sichtbar – Fern ab jeglicher Ironie. Märchen sprechen seit je her universelle Themen an. Jedoch nicht in der Sprache des Verstandes sondern auf der Herzensebene. Sehen wir uns einmal an, was da eigentlich passiert.
Am Anfang jeder Geschichte steht die heile Welt, die Normalität. Familie, Freunde. Nachbarn. Dann geschieht etwas. Es gibt immer eine Eskalation. Die Ordnung gerät dann durcheinander und sicher geglaubte Strukturen zerfallen. Gewissheiten enden. Vertrautes wendet sich gegen uns.
Märchen erzählen von solch unvorhersehbaren Herausforderungen und dem damit einhergehen Kontrollverlust. Der Held muss dann eine unlösbare Aufgabe lösen um die Herausforderung zu meistern.
Wo findet man eine Lösung ?
Gespannt verfolgen wir seit dem Anbeginn aller Zeiten in den Märchen und Geschichten, was der Held ertragen kann und wie er all diese Probleme löst.
Wie geht unser Held mit den Herausforderungen um und wie findet er eine Lösung wenn seine heile Welt zusammenbricht?
Unbewusst stellen wir eine Verbindung her: Und wir fragen uns dabei:
Was sind wir in der Lage zu ertragen?
Was macht solch ein Kontrollverlust in Form einer Pandemie / ein solcher Zusammenbruch mit uns ?
Bleiben wir im kameradschaftlichen Miteinander ?
Sind wir noch offen für andere Perspektiven und andere Meinungen?
Sind wir überhaupt noch objektiv und offen ?
Die großen Fragen des Lebens
Märchen und ihre Protagonisten oder Antagonisten konfrontieren uns mit den großen Fragen des Lebens. Um die Märchen zu verstehen sollten wir uns die eine Frage stellen, die uns immer eine Erklärung gibt. Eine Frage führt uns immer zum Grund für jegliche Handlung:
Wer handelt wie aus welchem Grund ?
Und was hat derjenige davon, dass er so handelt ?
Wer handelt altruistisch und wer handelt egoistisch?
Und warum agiert eine Person / eine Institution so wie sie handelt?
Finden wir die Antwort auf diese Frage, finden wir auch den Antrieb und das Ziel der Person oder Institution. Dabei ist es nicht unerheblich für den Spannungsbogen, ob der Zuhörer die Protagonisten mag . Vielleicht mag er ja auch die Antagonisten? Natürlich ist es wichtig für eine gute Geschichte, dass auch die Bösen überzeugen.
Identität ist der Schnittpunkt zwischen dem, was ein Mensch sein will und dem, was die Umwelt ihm gestattet.
Märchen sind universal und die Menschen empfinden universal. und sie polarisieren sehr stark. In der Realität ist es oftmals sehr schwierig, das Gute und das Böse zu unterscheiden. Doch genau das führt den Helden in den Märchen zu seiner wahren Identität. Identität ist der Schnittpunkt zwischen dem, was ein Mensch sein will und dem, was die Umwelt ihm gestattet. Das Individuum und die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit sind der Fokus aller Märchen. Sie bilden letztendlich den Spannungsbogen einer Geschichte.
Die Dramaturgie im Handlungsablauf
Während die Zuhörer nun den Spannungsbogen einer Geschichte verfolgen, tauchen stets neue Fragen auf:
Wie geht unser Protagonist mit den Konflikten und Problemen um ?
Was hat unser Held all den Bedrohungen entgegen zu setzen?
Was kann er aushalten und wie verhält er sich ?
Wie meistert er all die Hürden und Stolpersteine ?
Das alles hat viel mit unserer momentan Wirklichkeit zu tun. Doch leider ist das aktuelle Zeitgeschehen kein Märchen. In der echten Welt ist kaum noch zu unterscheiden, wo das Gute endet und das Böse beginnt und in der medialen Welt vermischt sich beides. Es gibt falsche Nachrichten und verdrehte Tatsachen. Die Geschichte muss dabei nur glaubwürdig bleiben und die Menschen berühren. Das sorgt für allgemeine Verwirrung und steigert die Anspannung. Die Ängste wachsen weit über die eigentlichen Ursachen hinaus und wir verharren in der Erstarrung – in einem Schwebezustand. Was passiert denn jetzt?
Geht die Welt unter oder gibt es Entwarnung ?
Weder noch.
Jeder weiß, es gibt die Kranken und man kann an einer Erkrankung sterben, und doch sind auch sehr viele nicht infiziert und nicht jeder Infizierte stirbt. Das reibt die Menschen auf und macht sie immer aggressiver.
Kognition und Emotion gehören zusammen bei den Themen des Lebens
Was kann man also tun? Offenbar nichts.
All die Schutzmaßnahmen scheinen letztendlich doch keinen Schutz zu bieten wenn die Inzidenszzahlen ständig ansteigen.
Doch kann man den Zahlen trauen?
Wem kann man überhaupt noch trauen? Offenbar keinem.
Wir alle kommen an die Grenzen unserer psychischen und physischen Belastbarkeit.
Verdrängung findet statt und Gefahren werden ausgeblendet. Das ist ein Überlebensmechanismus und zutiefst menschlich. Doch wie schaffen wir es aus der Verdrängung zurück ins Handeln zu finden ?
Lösungsansatz Wissen
Nur indem wir durch Erkenntnis Ordnung in das Chaos bringen. Bedroht zu sein ist kein Problem, doch Ohnmacht ist ein Problem ebenso wie Unwissenheit und Hilflosigkeit.
Aber wie können wir aus dieser hilflosen Ohnmacht ausbrechen?
Wie schaffen wir es, wieder handlungsfähig zu werden ?

Vielleicht wie im Märchen : vielleicht ist es hilfreich, ein bisschen gesunden Menschenverstand einzusetzen um sich zurecht zu finden. Und wie im Märchen muss sich dabei jeder seinen eigenen Weg suchen.
Doch in wen oder in was soll man dabei die Hoffnung setzen? Auf was soll man achten, wenn man nicht mehr weiter weiß ?
Im Märchen weiß immer die / der kluge Alte einen Rat und es finden sich immer Helfer – wenn man die Augen offen hält und bereit ist, inne zu halten und zu zu hören.
Hilfreich ist also auch immer, möglichst viel zu Wissen. Wissen ist magisch – nicht nur in den Märchen, sondern auch im realen Leben. Wissen versetzt uns in die Lage, zielgerichtet zu handeln. Wissen gibt uns Kontrolle und Kraft. Mit Wissen entsteht neue Zuversicht. Mit Wissen kann man zudem Einfluss auf Entscheidungen nehmen. Wissen ist also Macht und damit endet die Ohnmacht – auch in unserer realen Welt. Doch um Wissen zu erlangen, muss man allerdings Fragen stellen oder zumindest vieles hinterfragen oder auch infrage stellen.
Die Fragen nach dem woher, wohin und warum …
Zu allen Zeiten in der menschlichen Geschichte waren es die Fragen, die am Anfang jegliche Entwicklung standen. Dabei ist es nicht immer notwendig, dass auf die Frage durch die Antwort eine Lösung gefunden wird. Vielmehr sind die Fragen selbst sehr wertvoll und bedeutungsvoll. Erst durch sie besinnen wir uns, fragen und hinterfragen und gewinnen neue Einsichten und schließlich sogar Sicherheit. Es sind eben diese Fragen, die im Mittelpunkt der Märchen stehen. Fragen nach dem woher, wohin, dem warum und auch dem wer bin ich und was möchte ich. Fragen wir uns doch einmal : Besteht noch eine Entscheidungsfreiheit in unserem Leben oder ist die Freiheit vielmehr nur noch eine Wunschvorstellung ?

In Anbetracht der erregten Gemüter, der gegenseitigen Vorwürfe und Schuldzuweisungen um mich herum möchte ich aus aktuellem Anlass folgendes Zitat aus der Literatur einfügen : „ … der Anblick großer, leidenschaftlich erregter Massen ist eines der wichtigsten Zeichen dafür, dass wir in ein neues Zeitalter eingetreten sind. In einem solchen Bannkreis herrscht Einstimmigkeit, denn wo sich eine andere Stimme erhöbe bilden sich Wirbel, die ihren Träger vernichten. Denn wer liebt die nicht die Freiheit und Unabhängigkeit … „
Wie schade, das die allgemeine Lust an Missverständnis und Zerstörung mittlerweile größer ist als die Neugier und die Lust an der Suche nach Gemeinsamkeit. Ich denke, wir sollten wieder lernen, dass andere Meinungen eine Bereicherung sein können und keine Gefahr sind. Die Gefahr lauert da, wo alle einer Meinung sind. Denn wenn das Gute Angst hat, bekommt das Böse immer eine Chance.