Auf den Spuren längst vergessener Rituale

Rituale sind so alt wie die Menschen. Rituale erzeugen Gemeinschaft und schaffen Zugehörigkeit und Verlässlichkeit. Ohne Rituale ist ein Leben in größeren Gemeinschaften nicht möglich, denn Rituale geben uns Orientierung und helfen uns, uns richtig zu verhalten.
Rituale geben uns außerdem ein Gefühl von Sicherheit. Die stets gleichen Abläufe signalisieren: es ist alles in Ordnung, auch wenn die Welt verrückt spielt. Je unsicherer die Zeiten sind, desto wichtiger sind Rituale, denn sie reduzieren die Angst, so die Psychologin Christine Geschke.
Aber wie soll man Rituale aufrecht erhalten, wenn Corona das unmöglich macht? Nun: man könnte sich darauf besinnen, was einem Halt gibt.
Wir könnten uns auch neue Rituale suchen. Mann / Frau kann Rituale durchaus an veränderte Gegebenheiten und Bedürfnisse anpassen .
Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Osterfest?
Heutzutage sind in den meisten Gegegenden entweder die alten Traditionen des Ostara-Festes aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden – oder andere Religionen haben die alten Bräuche ersetzt oder annektiert. Das Christentum hat viele Bräuche der Jahreskreisfestes in abgewandelter Form für die eigene Religion übernommen. Die Kirche machte Ostara zu ihrem eigenen Osterfest, das regulär auf den ersten Vollmond nach der Frühlingstagundnachtgleiche fällt, welche traditionell am 21. März gefeiert wird. Ursprünglich ging es dabei vor allem um die Verbundenheit zur Natur.
Die Bedeutung des Gleichgewichts
Das große Fest der Göttin Ostara findet im Frühling statt, denn zu dieser Jahreszeit erwacht die Natur aus ihrem Winterschlaf. Der Winter ist die Zeit der Innenorientierung. Die kalte Jahreszeit ist zum Nachdenken sowie zur inneren Einkehr gedacht. Der Frühling dagegen steht für Außenorientierung. Die Göttin Ostara, die einst verehrte wurde, kämpfte gegen die eisige Kälte des Winters und schickte die wärmenden Sonnenstrahlen auf die Erde. Ostara galt als Botin des Frühlings und der Fruchtbarkeit. Um sie ranken sich viele Legenden. Ostaras Kräfte führen zu einer Wende, zu Wachstum, Erneuerung und Leben.
Wer war die Göttin des Frühlings?
Die Göttin Ostara versinnbildlicht die Auferstehung der Natur und das Erwachen der Erde nach einem langen Winter. Kälte, Frost und Schnee müssen weichen, um Platz für die wärmenden Sonnenstrahlen zu machen. Der Monat dieser Frühlingsgöttin ist der April. Dann steigt die Göttin in ihrem goldenen Gewand auf die Erde und es sprießen die Keime unter ihren Schuhen hervor. Das Symbol von Ostara ist das Ei, ihr heiliges Tier ist der Hase.
Der Ursprung der Göttin Ostara
Es steht außer Frage, dass die Germanen zur Frühjahrs-Tagundnachtgleiche einer Gottheit huldigten. Unsere Osterbräuche haben zweifellos heidnische Wurzeln und sind sehr viel älter als die Christianisierung. Die erste schriftliche Erwähnung der „Göttin Eostrae“ stammt aus einem Werk des englischen Kirchenhistorikers Beda Venerabilis, einem Mönch des 8. Jahrhunderts. Dieser gibt an, dass der Name des Ostermonats auf eben jene Göttin zurückzuführen sei. Andere Quellen sind im Laufe der Zeit verloren gegangen. Doch der Historiker Beda galt und gilt auch heute noch als zuverlässige Quelle und ernsthafter Gelehrter. Eine Erfindung der Göttin Eostrae kann man daher ausschließen. Jacob Grimm bezog sich in seinem Buch „Deutsche Mythologie“ (1835) auf den Historiker Beda und prägte die moderne Schreibweise des Namens: Ostara.
Es wird heute vermutet, dass der Name der germanischen Frühlingsgöttin Ostara auch mit der Himmelsrichtung Osten zusammenhängt, wo die Sonne aufgeht und damit das Licht geboren wird. So nennt man Ostara nicht nur die Göttin der Morgenröte, sie ist auch die Göttin der Fruchtbarkeit, da sie eine zyklische Wiedergeburt der Welt repräsentiert.
Die Menschen begrüßten es, dass die Tage wieder länger wurden und der Frühling den Winter vertrieb. Zu Ostara gab es ein rituelles Fest des Frühlingserwachens. Ostara symbolisiert Wärme, Wachstum, Licht und Wiedergeburt. Verschiedene Bräuche werden noch heute begangen und weisen auf die Verbindung zur Göttin der Morgenröte und des Ackerbaus hin.
Vergessene Rituale
• Die Feldweihe ist ein Ritual, dass Bauern in manchen Gegenden Deutschlands auch heute noch zelebrieren. Diese Weihe findet immer zu Ostara statt. Die Landwirte begeben sich auf die Felder und verstreuen an den vier Ecken Pfefferminze, Weidenbaum-Äste, Kräuter und Schlüsselblumen. Sie stecken eine Kerze in den Erdboden und bitten um Schutz für die Ernte und gutes Wetter.

• Eier wurden als Opfergaben vergraben und verschenkt. Ostereier stellen die Fruchtbarkeit dar, der Osterhase ist das Sinnbild für die Fruchtbarkeit und Fortpflanzung.
• Kräutersuppe : Für die Suppe müssen neun Kräuter in der Natur gesammelt werden – darunter Brennnessel, Knoblauch, Löwenzahn oder Scharbockskraut. Die Neun-Kräuter-Suppe soll den Körper von vermeintlichen „Giften“ reinigen: Ein Ritual, das perfekt zum Frühjahresbeginn und zum Jahreskreisfest Ostara passt.
• Ostarabuschen schützen Feld und Heim : Auch das Binden eines Ostarabuschens stellt eine Möglichkeit dar, die wiedererwachende Natur zu begrüßen: Der kleine Ostarabuschen wird mit Hasel, Weidenkätzchen, Birkenzweigen sowie immergrünen Zweigen gebunden. Anschließend kann man ihn noch mit bunten Bändern dekorieren. Früher hat man laut Weitzdörfer derlei Buschen auf das Feld gesteckt – zum Schutz der Ernte. Heute kann man ihn im Garten oder in einer Zimmerecke aufstellen – symbolisch zum Schutz des eigenen Heims.

• Osterwasser: nach einem alten Volksbrauch schöpft man in der Osternacht oder am Ostermorgen vor dem Sonnenaufgang Wasser aus einer Quelle. Dem Volksglauben nach soll dieses Wasser besonders lange halten und zudem, wenn man sich damit wäscht, besonders feine Haut geben und bei Augenkrankheiten helfen. Damit das Wasser seine Wirkung nicht verlor, musste der Weg zur Wasserstelle und zurück schweigend und unbeobachtet zurückgelegt werden. Sogar das Vieh wurde am Ostermorgen in die Wasserstellen getrieben, damit es sich wasche und von Krankheiten verschont bleibe. Alternativ besprengte man Personen und Vieh mit dem Wasser. Das Wasser gilt als Ursymbol des Lebens und der Fruchtbarkeit.
• Osterfeuer : es versinnbildlicht ebenfalls die Überwindung des Dunklen und das Loslösen von Altem. Ein schönes Ritual gerade in der heutigen Zeit ist ein Osterfeuer, in dem man symbolisch alles Vergangene dem Feuer übergibt. In der Glut kann man Fragen nachspüren … Was befeuert meine Lebenskraft? Was gibt mir Wärme? Was bedeutet für mich, im Gleichgewicht zu sein oder ins Gleichgewicht zu kommen?

Obwohl Ostern von der christlichen Kirche eingenommen und die Symbolik der Erneuerung mit der Wiedergeburt Christi verbunden wurde, sind unsere Rituale, ja selbst der Name immer noch Zeuge des heidnisch-germanischen Erbes. Ob man nun das kirchliche Osterfest oder das Jahreskreisfest Ostara feiert: Es ist Zeit, die wiederbelebte Natur zu würdigen. Die dunklen Wintermonate sind nun vorbei, die Tage werden wieder länger – und der Frühling zieht endlich ins Land.
Und vielleicht ist es an der Zeit, eigene Rituale für diesen Neuanfang zu
(er- ) finden…
Ich wünsche Ihnen schöne Ostern
Ihre Geschichtenerzählerin