Die griechischen Götter am Puls der Zeit

Seit Jahrhunderten übt die griechische Mythologie eine unglaublich große Faszination auf die Menschen aus. An Zeus, Poseidon, Aphrodite, Hermes, Demeter, Apollon, Athene, Artemis, Hephaistos und Hestia erinnern sich viele noch aus Schultagen: sie zählen zum engsten Gotteskreis.
Ich persönlich finde den aktuellen Bezug hinsichtlich des Themas Nachhaltigkeit nach wie vor interessant und nutze gerne uralte Mythen und Legenden um auf aktuelle Themen wie beispielsweise Umweltbewusstsein aufmerksam zu machen. Vielleicht können Geschichten ja die Welt fairändern. In dieser Hoffnung schreibe ich heute aus aktuellem Anlass über die alten Götter am Puls der Zeit.
Die griechischen Göttersagen sind voller Ausschweifungen, erzählen von Lebenslust und Begierde, Mord und Totschlag, Triumph und Tragödie und von immer wieder von Sehnsucht und Liebe. Zeitlose Themen, die noch heute Stoff für Geschichten liefern. Auch bezüglich der Thematik Nachhaltigkeit ist die griechische Mythologie am Puls der Zeit.
Auch die Psychologie nutzt solche Ansätze der vergleichenden Übertragung und geht noch einen Schritt weiter: Götter können darin stellvertretend für Prinzipien, Werte und Ereignisse stehen. Morpheus tritt zum Beispiel als Gott des Traumes auf, während Hypnos passend zum Namen der Gott des Schlafes ist. Tyche ist als Göttin des Schicksals überaus bekannt, wenngleich unter ihrer römischen Bezeichnung Fortuna. Ihre Bestimmungen liegen in der positiven wie negativen Fügung sowie im Zufall.
Diese Ambivalenz tragen die meisten Götter in sich. Sie schickten als Strafe Tod und Seuchen wenn die Menschen maßlos oder anmaßend waren – sie konnten aber ebenso Heilung bringen. Apropos Heilung ….
Über den nachfolgenden ” Corona Mythos” lohnt es sich, hinsichtlich der Wechselwirkung ökologischer und ökonomischer Themen nachzudenken:

Artemis ist in der griechischen Mythologie die Göttin der Jagd, des Waldes, der Geburt und des Mondes. Sie ist die die Zwillingsschwester des Apollon. Ihre bekanntesten Attribute sind die silbernen Pfeile und der silberne Bogen, der auch die Mondsichel symbolisiert. Mit diesem sandte sie Pfeile gegen die Sterblichen, um Krankheiten über sie zu bringen. Denn Artemis rächte sich an den Menschen, die achtlos mit der Natur und ihren Tieren umgingen. Sie schoß ihre krankheitsbringenden Pfeile auf diejenigen ab, welche die Bäume fällten, die Jahre gebraucht hat um zu wachsen und damit den Tieren den Lebensraum nahmen, deren Schutzherrin sie war. Sie schoß auf Menschen, welche die Tiere nur zum ihrem Vergnügen jagden um mit den Trophäen zu prahlen. Es gab einen besonders brutalen Jäger namens Orion, der einst in Kreta lebte. Er hatte sich vorgenommen, alle wilden Tiere zu töten.
Die Göttin Artemis setzte deswegen zornig einen Skorpion auf ihn an, der Orion durch seine Gifte tötete. Doch der Gott der Heilkunst Asklepios erweckte ihn mit seinen Heilkünsten erneut zum Leben.
Dies erweckte nun den Zorn gleich mehrere Götter. Der Gott der Unterwelt Hades war der einzige, der über Tod und Leben entscheiden durfte. So beschwerte sich Hades bei seinem Bruder Zeus weil Asklepios seine Befugnisse mit der Wiedererweckung des Toten Orion überschritten hatte und forderte dessen Bestrafung.
Auch Zeus teilte die Sorge und befürchtete, dass bald kein Mensch mehr sterben würde, wenn Asklepios nicht bestraft würde.
Wo sollte das hinführen ?
Und Artemis war ebenfalls verärgert über die Einmischung in ihre Angelegenheiten und bestand auf Bestrafung sowohl des Jägers als auch des Heilers. Zeus strafte auf seine herkömmliche Art: er schleuderte voller Wut über die Anmaßung des Heilers seinen Blitz auf Asklepios und tötete ihn dadurch.
Den Jäger Orion samt Skorpion versetzte Zeus an den Himmel. Dort jagen sie sich schon seit Jahrtausenden erfolglos: Das Sternbild Orion ist nur im Winter, dass des Skorpions nur im Sommer zu sehen. Keiner von beiden kann dort mit dem anderen je zusammen treffen.

Der Strafe war also Genüge getan. Doch Orion war nur ein einzelner Vertreter dieser Sippe. Die Göttin Artemis litt unter dem ganzen Menschengeschlecht: Sie töteten Tiere, deren Schutzherrin sie war. Sie nahmen ihren Tieren den Lebensraum, die Würde und die Freiheit. Die Menschen fällten zudem die majestätischen Bäume des Waldes und rodeten in ihrer Gier ganze Wälder um, die Jahrhunderte gewachsen waren.
Artemis wandte sich um Rat und Beistand an ihre Urgroßmutter Gaia- Mutter Erde. Auch Mutter Erde war geplagt von dem vielen Gift in ihren Tiefen, geschunden und missbraucht. Die Menschen gingen inzwischen achtlos und rücksichtslos mit der Erde um. Sie gruben Schächte, um nach wertvollen Metallen und Steinen zu suchen und hinterließen nur Zerstörung.
Urgroßmutter und Urenkelin teilten darum den gleichen Kummer und berieten sich. Die heilige Ordnung der Natur war bedroht und das Gleichgewicht musste wiederhergestellt werden.

Also wurde Themis, die Göttin der Gerechtigkeit und der Ordnung in das Reich des Hades – dem Gott der Unterwelt – gesandt. Sie sollte den Herrscher und seine Frau Persephone bitten, das Koronis wieder auf die Erden zurück kehren dürfe. Sie sollte zu den Menschen Krankheit und Tod bringen damit das göttliche Gleichgewicht wieder hergestellt werden konnte. Welch bittere Ironie der Götter : denn Koronis war zudem die Mutter eben jenes unglücklichen Aeskulap, der bestraft werden musste.
Einst war Koronis die Tochter eines thessalischen Königs namens Phlegyas gewesen und die Geliebte des Sonnengotts Apollo. Ihr Vater wusste dies jedoch nicht. Koronis trug das Kind des Gottes Apollo unter ihrem Herzen als ihr Vater sie einem sterblichen Mann zum Weibe gab. Sie verliebte sich in ihren Ehemann und blieb ihm schließlich treu. Apollo erzürnte sich darüber, tobte vor Eifersucht und in seinem Zorn tötete er seine Geliebte.
Bei ihrer Feuerbestattung rettete er jedoch sein Kind aus dem Leib seiner Mutter. Apollo nannte das Kind Asklepios ( zu deutsch auch Äskulap ) und brachte es zum heilkundigen Kentauren Cheiron, der das Kind aufnahm und in der Heilkunst unterwies, welche er einst selbst von Apollon gelernt hatte.
So wurde Asklepios aufgrund seiner göttlichen Abstammung zum Gott der Heilkunst. Als er einst im Jahr 293 v. Chr. in Rom eine Seuche beenden wollte, nahm er die Gestalt einer Schlange an. So wurde die Schlange, die sich um einen Stab , den sogenannten Asklepiosstab, wand zu seinem Wahrzeichen. Seine Heilkunst galt als unübertroffen: Es gelang ihm sogar, einen Toten wieder zum Leben zu erwecken. Ihr wisst inzwischen, das er für diese Anmaßung mit dem Tod betraft wurde. Und dies zu einer Zeit, da die Götter planten, Krankheit und Tod über die Menschen zu bringen als Strafe für deren Anmaßung.
Es sollte den Menschen durch diese Bestrafung erneut zu Bewusstsein kommen, das man nur im Einklang mit der Natur leben kann. Das älteste aller Naturgesetze lautete : Altes muss sterben, damit Neues geboren werden kann. Tod und Krankheit waren deshalb unausweichlich.
Und so beschlossen die Götter, Koronis auf die Erde zu schicken. Sie hatte den Auftrag, Krankheit zu verbreiten und den Tod zu bringen. So kam also Koronis unter die Menschen und verbreitete die Plage. Die Menschen nannten sie bei ihrem lateinischen Namen Corona und fürchteten sie. Wo sie gegangen war, blieben Husten, Fieber, Atemnot und oftmals der Tod zurück. Denn niemand wusste ein Mittel, das half.
Asklepios – der weise Heiler – konnte den Menschen mit seinem Wissen und seiner Heilkunst nicht mehr helfen. So kamen Angst, Sorge, Krankheit, Tod und Leid zu den Menschen. Und die Götter sahen zu.
Zeus sah jedoch auch das Leid seiner Menschenkinder und fand schließlich seine Herrschaft bedroht: wie sollte er über Leben und Blüte herrschen, wenn es kein Leben mehr auf Erden gab? So konnte es also nicht bleiben.
Darum musste eine neue Ordnung her, um das Maß des Lebens erneut in Kraft zu setzen und die Welt abermals zu einem Ort der Schönheit und Lebendigkeit reifen zu lassen.

Zeus beriet sich mit seinen beiden Söhnen Apollon und Dionysos :
Dionysos – der Gott des Weines und der Freude, sandte den Menschen die süße Entrückung des Weines in der gutgemeinten Hoffnung, den Menschen damit zu helfen indem er ihnen die Freude und das Vergessen der sorglosen Augenblicke schenke. Aber ihr wisst inzwischen: die Gaben der Götter sind ambivalent.
Apollon zürnte seinem Vater zunächst noch wegen des Todes seines Sohnes Aeskulap und ließ seine frühere Geliebte Koronis zunächst gewähren, die von den Menschen Corona genannt wurde. Durch die Überheblichkeit der Menschen war sein Sohn Asklepios schließlich gestraft worden und es schien ihm richtig, dass Koronis damit zugange war, die Maßlosen, Vermessenen und Anmaßenden aufzuwecken und zur Selbsterkenntnis zu bewegen. Doch er stimmte aufgrund seiner Klugheit auch Zeus zu, das eine neue Ordnung geschaffen werden müsse.
Und an dieser Stelle endet die Geschichte …

Ob die Menschen die Wechselbeziehungen von Lebewesen und ihrer Umwelt und zwischen Leben und Nachhaltigkeit jemals in ihrer ganzen Tragweite erkennen und ihr Leben entsprechend verändern?
Durch diese Pandemie wurde ihnen abermals dazu eine Möglichkeit gegeben und auch immer dann, wenn sie bestürzt und verängstigt über die steigenden Meere, die Überschwemmungen, die Hitzewellen und Stürme, das Aussterben unzähliger Tier- und Pflanzenarten waren oder sind ….
Nicht nur die Götter – auch die Menschen haben die Möglichkeit, einen neuen οἶκος ( oikos ) zu erschaffen. Wer es noch nicht gegoogelt hat :
Die Ökologie (altgriechisch oikos = Haushalt und logos = Lehreb > also die Lehre vom Haushalt ) ist gemäß ihrer ursprünglichen Definition eine wissenschaftliche Teildisziplin der Biologie, welche die Beziehungen von Lebewesen (Organismen) untereinander und zu ihrer unbelebten Umwelt erforscht.
Die alten Griechen und ihre Mythen sind also noch immer am Puls der Zeit.
10. Juni 2020